Die Stille schreit

Fischach stellt sich seiner Geschichte

Der Fischacher Kulturkreis K.E.R.N. nimmt sich seit Jahren intensiv der Geschichte des Marktes und seiner jüdischen Bürger an. In diesem Zusammenhang lernte Anne-Marie Fendt, Verantwortliche für den Arbeitskreis Geschichte, Miriam Friedmann kennen. Sie war in Fischach auf der Suche nach ihren Wurzeln fündig geworden und hatte die Spuren ihrer Großmutter in der Kirchgasse 1 entdeckt. So war die Idee entstanden den Film „Die Stille schreit!“, ein Werk von Josef Pröll unter Mitarbeit von Miriam Friedmann, in die Marktgemeinde zu holen und in der Schule zu zeigen.

„Die Vergangenheit muss reden und wir müssen zuhören…“ Mit diesem Zitat von Erich Kästner begrüßte Fischachs Bürgermeister Peter Ziegelmeier das Publikum in der Aula der örtlichen Schule zum Film „Die Stille schreit“. „Wenn wir nicht lernen und Minderheiten nicht schützen, verlieren wir unsere Menschlichkeit“, betonte er und verwies auf den Ewigkeitscharakter des Artikels 1 unseres Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Und genau  um diese Würde sollte sich der anschließende Dokumentarfilm von Josef Pröll drehen, genauer um deren Verlust unter dem Regime der Nationalsozialisten. „Lassen wir uns berühren“, forderte Hausherrin, Rektorin Elisabeth Kick und das sollte dem beeindruckenden Werk auch gelingen.

Es beginnt mit dem Besuch auf einem jüdischen Friedhof, dessen Stille in unserer lauten Welt geradezu schreit – so erklärte Miriam Friedmann im Anschluss den Filmtitel. Sie ist Betroffene, Forschende, Mitarbeiterin und kommt in der Dokumentation selbst zu Wort. Der Film zeigt eindrucksvoll die Geschichte der jüdischen Familien Friedmann und Oberdorfer, ihren Patriotismus im Ersten Weltkrieg, ihren wirtschaftlichen Erfolg, ihre soziale Stellung in Augsburg und die damit verbundene großbürgerliche Lebensweise. Miriam Friedmanns Vater Fritz hatte das Gymnasium „Bei St. Stefan“ besucht und war so von benediktinischer Erziehung geprägt.  Dies erzählt er persönlich in Ausschnitten aus einem Interview. Aus diesem Umfeld kommend war es den Familien lange Zeit nicht klar, was in Deutschland vor sich ging. Im Laufe der Zeit verlor die jüdische Bevölkerung ihre bürgerlichen Rechte: Die Kinder wurden aus dem staatlichen Schulsystem ausgeschlossen, Besitz wurde „arisiert“ und der Staat bereicherte sich daran. Auch in Italien und Holland konnten sie keine sichere Zuflucht finden: „Kein Land auf der Welt hätte uns aufgenommen“, erklärt Fritz Friedmann. Es ist für Miriam Friedmann sehr wichtig, dass auch die „Täterfamlien“ zu Wort kommen. Dabei wird deutlich wie sehr sich deren Nachkommen vom damaligen Geschehen distanzieren, aber auch welche Karrieren ehemalige Nationalsozialisten im Nachkriegsdeutschland machten. Das Ende des Films prangert den Verlust der Erinnerung an die jüdischen Geschäfte in Augsburg an, deren spätere Inhaber Jubiläen feiern ohne den Beginn der Firma und den Unternehmergeist ihrer Gründer zu würdigen.

Im abschließenden Gespräch  betonen Josef Pröll und Miriam Friedmann – beide sind persönlich anwesend – die aktuelle Notwendigkeit einfache Antworten auf die komplexen Fragen der Zeit genau zu hinterfragen. „Keiner hat das Recht dem Zusammenleben zu schaden“, fordern sie und fordern einander zuzuhören, um „besser miteinander umzugehen.“ Damit greifen sie das anfängliche Zitat des Bürgermeisters auf. Ein wahrlich berührender, authentischer Abend.

Weitere Informationen zu „Die Stille schreit!“ finden sich im Internet unter www.diestilleschreit.de.